Es wurde Abend, es wurde Morgen - neuer Tag.
OK, eher fast schon Mittag, war ja spät gestern und ausschlafen muss ja auch auf nem Festival irgendwie sein, in meinem Alter kann man ja auch nicht mehr einfach so 4 Tage durchfeiern und überhaupt, ach egal ...
Erst mal raus, Kocher auspacken, Kessel auffüllen, Kaffee kochen, Frühstück vorbereiten.
Benne war auch schon längst von der Sonne aus dem warmen Zelt vertrieben worden und ein Frühstück kam gerade recht.
Danach wollten die anderen zur Main Stage um das erste Konzert von Klaus dem Geiger zu sehen.
Der ist zwar richtig gut, aber ich hatte ihn gerade erst in Loshausen gesehen und wollte mir erst mal ein Bild der Lage unter dem Bus verschaffen und dann später nach kommen.
So ziemlich das komplette Fahrwerk war vom Matsch eingenommen worden. Ich habe gleich versucht so viel wie möglich zu entfernen, bevor das beim Trocknen zu etwas betonähnlichem aushärtet. Es sah immer noch so aus, als ob kein Öl oder Diesel ausläuft und zum Glück war auch der Stoßdämpfer nicht ab, sondern nur die Staubschutzhülle, die wohl eh schon nur mit Klebeband befestigt gewesen war, heruntergerutscht.
Das neue Vorzelt funktioniert zum Glück auch bei erheblichem Busschiefstand. Allerdings muss man beim Einsteigen über die Seitentür aufpassen, dass man nicht gleich auf den gegenüberliegenden Schrank fällt. Und beim Schlafen lernt man die Seitenwand neu kennen und schätzen.
Die Nachbarn hatten die Idee ihren Transit etwas hoch zu heben, da wir alle am Abhang ziemlich schräg standen. Ich habe ihnen meinen Wagenheber geliehen, was aber nur den Effekt hatte, dass die Holzunterlage vom Wagenheber immer tiefer in den weichen Boden gedrückt wurde ohne den Bus nennenswert anzuheben.
Mittlerweile hatte ich von Benne telefonisch erfahren, dass das Konzert von Klaus dem Geiger ausfällt, weil der Main Stage Bereich noch nicht fertig war und nicht weil er noch in der Schlange oder im Matsch fest steckt.
Ich war nun auch abmarschbereit und hatte mein Säcklein mit allem Nötigem gepackt, was ich bis zur Rückkehr irgendwann in der Nacht brauchen könnte. Wobei die Regenjacke wohl das Wichtigste war.
Auf dem weiten Weg habe ich nebenbei die Bodenbeschaffenheit noch etwas dokumentiert.
Kaum in Freak City angekommen, begann es zu schütten. Am Wein- und Cocktailstand, gleich nach der Kreuzung am Hauptweg zur Main Stage fand ich Unterschlupf an einem runden Stehtisch, der von einem großen Schirm geschützt wurde. Und siehe da, hier waren auch schon Anne, Benne und Gero. Neben diversen anderen Leuten, die trotz des Regens alle gut drauf waren. Irgendwer hatte eine Gitarre dabei und die Regenzeit wurde mit einer Session verkürzt. Diverse Klassiker von Beatles bis Neil Young ("keep on fuckin' in a free world!") wurden gemeinsam geträllert und ein lustiger Typ hat perfekt Udo Lindenberg imitiert. Schon witzig wenn "Udo" Beatles Songs singt.
Ungefähr eine Stunde später hat der Regen wieder aufgehört und wir sind zur Main Stage aufgebrochen um die erste Band des Festivals anzuhören.
Wolf People aus England haben eröffnet, mich aber nicht mitgerissen. Keine Frage es war ein gutes Konzert, aber irgendwie sprang der Funke nicht recht über.
In der Umbaupause, weil es so schön war, noch ein paar Schlammbilder und Impressionen ...
Anschließend kam mit Pristine ein erstes Highlight des Festivals. Rock aus Norwegen, der richtig Spaß macht, mit einer mitreißenden Sängerin, einfach gut!
Nach dem Konzert kam eine Truppe von Leuten von der Bühne den Hauptweg herauf, die vorher schon an der Schlammschlacht teilgenommen hatten und vor der Bühne auch nicht sauberer wurden. Nur in Unterwäsche waren nur Augen und Zähne halbwegs matschfrei. Auf dem Weg haben sie sich noch mal in den frischen Matsch geworfen und anschliessend großzügig "Free Hugs" angeboten. Komisch dass nur einer in Regenkleidung nicht davon gerannt ist ;-).
Pristine kam dann auch noch zum Herzberg-Stand für Autogramme, Photos und Smalltalk mit den Fans. Während Heidi, die Sängerin, mit Ihren Stiefeln mutig die Matschtrassen überquert hat, brauchte der Gitarisst blaue Südwesterüberzüge um die edlen Halbschuhe zu schützen.
Durchaus interessant war es, sich einfach mal an eine besonders matschige und furchige Stelle zu stellen und die unterschiedlichen Schlamm-Wat-Techniken zu beobachten und wie zögerlich oder mutig die Leute die tiefen Stellen angegangen sind.
Als nächstes kam auf der Main Stage mit Gong eine Legende. 1967 in einer Kommune gegründet, nach diversen Umbesetzungen, Auflösungen, Nachfolge-, Seitenprojekten und Wiederauferstehungen ist die aktuelle Gong-Version seit 7 Jahren unterwegs. Ein Bekannter war Ende 60er / Anfang 70er zu Gast in der Gong-Kommune und hat am Lagerfeuer in Loshausen einige interessante Geschichten erzählt. Diverse bekannte Musiker waren damals, wenn sie eine Auszeit benötigten, zu Gast bei und Teil von Gong.
Ich kannte Gong bisher noch nicht, leider, das Konzert war richtig gut. Schwer einzuordnen, eine Mischung aus Psychedelic, Fusion-, Jazz-Rock und irgendwie auch etwas zappaesk. Kaum zu beschreiben, muss man gehört haben. Eher etwas für den musikalischen Kopf als für die Beine.
Die Kenny Wayne Sheppherd Band habe ich ich mir noch eine Weile angehört, aber als es wieder zu Regnen angefangen hat, habe ich die restlichen Konzerte sausen lassen und mich auf den weiten, beschwerlichen Weg durch den Matsch zum Bus gemacht.
Dort angekommen fand ich Benne bei den Nachbarn im Pavillon am Feuer sitzen und flugs hat er die Gitarre geholt, ich die Cajon und die Schellen und die Session begann. Ein paar andere Nachbarn kamen auch noch dazu und haben ihre Mundharmonikas mitgebracht. War eine nette Session bis tief in die Nacht.
Trotz der Witterungsbedingungen ein weiterer schöner Festivaltag, der irgendwann doch noch ein Ende im Schlaf fand.