Ich möchte dichter werden

Wer noch Heinz Erhardt kennt, kennt sicher auch dieses Zitat.
Nein, ich möchte weder Dichter, noch muss ich dichter werden, es spricht die Einspritzpumpe.
Diese erwies sich nicht nur als lyrisch inkompetent sondern auch für Diesel inkontinent.

Es war schon länger klar, dass irgendwo etwas entfleucht. Spuren waren unter dem Auto und am Rahmen gelegentlich zu sehen und ich musste die Handpumpe nach längerer Standzeit betätigen, wenn ich nicht mit dem Anlasser entlüften wollte.
Ich konnte nur nicht erkennen woher der Diesel kommt.
Vor kurzem wurde es schlimmer, ich hatte sogar nach ein paar Wochen Standzeit eine Lache im Tropffänger unter dem Auto.

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Jetzt war auch klar zu sehen, dass es an den Ausgängen der Einspritzpumpe, durch die der Sprit zu den Düsen gepumpt wird, undicht sein musste.

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Die Leitungen ließen sich nicht fester anziehen und es sah so aus, als ob es unten am Rohranschluss suppt.
Etwas sauber machen und warten brachte die Gewissheit.

Der komplizierte Aufbau und die Funktion der mechanischen Einspritzpumpe (die wie ein Motor aufgebaut ist) ist hier nicht weiter wichtig, es interessiert nur was sich in und unter den Rohranschlüssen verbirgt.
Ich habe erst mal mit einer Ersatzpumpe unklaren Zustands geübt.

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Bei den /8er Kollegen gibt es eine gute Anleitung und hier noch mal ein Live-Bild:

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Von links nach rechts: Rohranschluss, Gummidichtring, Druckfeder, Kupferdichtring, Druckventil, Druckventilträger.

Die Dichtungen sind noch bei Mercedes erhältlich (Anfang Juni 2020), es werden je 4 Stück benötigt.
Ersatzteilnummern (Mercedes kennt unsere Fahrgestellnummern nicht mehr, aber mit den ET-Nummern kommt man häufig weiter):
Gummidichtring A0179974148
Kupferdichtring A0019973440

Bei der Gelegenheit könnte man auch gleich noch neue Einspritzleitungen besorgen, evtl. leiden die alten beim Aus- und Einbau und wenn nicht, kann etwas Vorratshaltung nicht schaden. Die Nummern für Zylinder 1 - 4 sind:
A6150701933
A6150702033
A6150702133
A6150702233

Extrem wichtig für alle folgenden Arbeiten ist absolute Sauberkeit! In die Pumpe und Leitungen darf kein Dreck kommen, da sonst die Einspritzdüsen verstopfen können!

Also als Erstes die Spannbacken zw. den Rohranschlüssen 1 und 2 sowie 3 und 4 abschrauben und dann die Pumpe oben gut saubermachen. Wenn der ganze Schmodder entfernt ist, noch mal mit Bremsenreiniger behandeln.
Zum Abschrauben der Einspritzleitungen braucht es Spezialwerkzeug, da diese für normale Gabelschlüssel viel zu eng aneinander sitzen. Ein offener Ringschlüssel ist hier nötig um auf die Überwurfmuttern zu kommen. Ich hatte mir in weiser Voraussicht mal einen solchen 17/19er gekauft, der erwies sich aber auch als noch zu dick. Daher habe ich kurzerhand aus dem schmälsten vorhandenen Ringschlüssel ein Stückchen herausgesägt.

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Die Klammern die immer zwei Einspritzleitungen zusammenhalten und fixieren, lockern oder ganz entfernen, am Besten die Position der Halter markieren.
Dann die Rücklaufschläuche (Leckölleitungen) an den Düsen entfernen und die Einspritzleitungen mit dem Spezialwerkzeug an Pumpe und Düsen abschrauben und sicher (und sauber) für später verstauen.
Die Schraubanschlüsse, die gerade nicht in Arbeit sind, mit Schutzkappen sicherheitshalber abdecken (ich habe mir welche 3D-gedruckt, ansonsten kreativ sein!).

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Den ersten Schraubanschluss mit einer 19er Nuss und Ratsche lösen und die letzten Umdrehungen von Hand vornehmen. Am Besten in der anderen Hand eine Pinzette (sauber!) bereithalten und damit beim Abheben des Schraubanschlusses die Druckfeder fassen, damit diese nicht sonstwohin in den Schmodder hüpft.
Druckfeder sicher und sauber verstauen. Ich habe sie in eine Magnetschale gestellt.
Mit der hoffentlich noch sauberen Pinzette den Kupferring, der auf dem Druckventilträger liegt, herausfischen. Neuen (sauberen!) Kupferring auf den Druckventilträger legen.
Sollte kein Kupferring auf dem Druckventilträger liegen, könnte er im Schraubanschluss klemmen. Dann den Ring mit der Pinzette oder einem kleinen Schlitzschraubenzieher o. ä. entfernen.

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Den Gummiring vom Schraubanschluss abstreifen und den Schraubanschluss und vor allem das Gewinde mit einer weichen Drahtbürste, Lappen und Bremsenreiniger saubermachen. Neuen Gummiring überstreifen und das Gewinde etwas einölen.
Nun die Druckfeder wieder auf den Druckventilträger stellen und den Schraubanschluss vorsichtig darüberstülpen. Evtl dabei leicht bewegen, damit sich der Druckventilträger in den Schraubanschluss schiebt.
Schraubanschluss von Hand einschrauben solange es geht, dann mit 30 Nm festziehen, wieder lösen, noch mal mit 30 Nm festziehen, wieder lösen und schließlich mit 35 Nm anziehen.
Ebenso mit den restlichen Schraubanschlüssen weiter machen. Wenn man schon dabei ist, tauscht man alle Dichtungen aus. Wenn eine undicht geworden ist, sind die Anderen auch nicht weit davon entfernt.

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Dann die Einspritzleitungen wieder aufschrauben. Die Rücklaufleitungen müssen an den Enden 1 - 2 cm abgeschnitten werden, da sie sehr empfindliche Biester sind und undicht werden wenn sie angefasst oder schräg angeschaut werden. Im Zweifelsfall ganz ersetzen (inkl. Stopfen an der vierten Düse), diese Standardleitungen gibt es überall als Meterware und ein bis zwei Meter auf Vorrat schaden nicht.

Mit der Handpumpe das System entlüften. Die Einspritzleitungen werden dann mit dem Anlasser entlüftet, es sei denn man möchte den Aufwand treiben, vor Aufschrauben auf die Düsen, den Motor mehrfach zunächst in Stop-Stellung der Pumpe und dann in Start-Stellung von Hand durchzudrehen bis Diesel aus den Leitungen fließt. Dann müsste man sich auch etwas überlegen, wie man unter beengten Verhältnissen den Diesel auffangen kann.

Vorglühen, Anlassen und hoffen, dass kein Dreck ins System gekommen und alles dicht ist. Wenn der Motor unauffällig läuft, Probefahrt machen und weiter hoffen.

Bei mir war die Pumpe dicht, aber an der Düse des dritten Zylinders hat es gesifft. Abhilfe hat dann der Austausch der Einspritzleitung gebracht.

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Hier noch ein Bild der alten Dichtungen aus der Pumpe. Die (undichte) des ersten Anschlusses ist beim Abstreifen vom Schraubanschluss zerrissen, so spröde war sie schon. Auch die anderen Dichtungen zeigen deutliche Altersspuren und die Kupferdichtungen sind sichtlich geplättet. Unten zum Vergleich ein neuer Gummi- und Kupferdichtring.

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Und wenn man eh schon an der Pumpe hantiert, könnte man auch mal überlegen, der Pumpe gleich einen Ölwechsel zu spendieren ...